Shroominded

Pa'Gung aka Karik

29.11.1993

If the truth can be told, so as to be understood, it will be believed!

Terence McKenna

Obwohl die gesammelten Pilze schon seit einem Monat in meiner Schublade herumliegen, hat sich erst heute eine günstige Gelegenheit ergeben, die Kahlköpfe zu uns zu nehmen. Auf Set und Setting kann man in solchen Fällen gar nicht genug achten, vor allem, wenn man eine solche Substanz zum ersten Mal zu sich nimmt. Heute ist Franks 23. Geburtstag, und seine Eltern wollen gleich nach Holland fahren. Also sitzen Petra, Helge, Frank und ich erstmal in Franks Zimmer, trinken Tee und warten. Nach einiger Zeit stellt sich heraus, daß seine Eltern doch nicht nach Holland fahren werden. Wir haben jedoch die Schnauze voll ("Das haben sie selber so gewollt!"), und nehmen die Pilze dennoch zu uns. Nachdem der Versuch, sie mit dem Mörser zu zerkleinern, scheitert, besorgt Frank einen Kräuter-Häcksler (oder was auch immer). In einem Anfall jugendlichen Leichtsinns schütten Frank und ich die Pilze einfach in unseren Tee, was relativ eklig schmeckt. Wir nehmen uns vor, beim nächsten Mal Orangensaft zu verwenden. Frank schließt die Zimmertür ab, Petra macht den ersten Eintrag in unser Sitzungsprotokoll: "15:35 - Einnahme der zerhackten Pilze (Psilocybe Semilanceata; insg. ca. 140 Stück / 2.5g trocken / 2 Personen) in schwarzem Tee mit/ohne Milch." Das Einsetzen der Wirkung erfolgt wesentlich rascher als bei Haschisch. Schon nach zehn Minuten sind erste Effekte festzustellen (Kribbeln im Körper, leichte Übelkeit); nach 25 Minuten geht die Post ab.

Die Wirkung steigert sich nicht stetig, vor allem bei Frank zeigen sich in der ersten Stunde starke Schübe, die er als recht unangenehm empfindet.

Die Erfahrung erweist sich als nicht sonderlich homogen. Frank und ich erleben zahlreiche Phasen, die sich teilweise in Nuancen, teilweise erheblich voneinander unterscheiden. Besonders hervorzuheben sind drei Abschnitte:

Der Kampf / die Metamorphose: Da es das erste Mal ist, sind wir recht unsicher und wissen nicht, was uns erwartet. Es findet ein mehr oder weniger starker Kampf zwischen dem Pilz und dem Verstand/Mind (sollen sich doch die Psychologen streiten) statt. Es zeigen sich größtenteils körperliche Symptome wie Zittern, fehlende Kontrolle, Übelkeit; Frank, der wahrscheinlich eine höhere relative Dosis erwischt hat, spricht von Schmerzen. Die ersten visuellen Halluzinationen treten auf. Irgendwann werden die Schübe schwächer bzw. nicht mehr als so stark empfunden. Das alte Ich existiert nicht mehr. The drug takes control. Ich denke, zu diesem Zeitpunkt wird aus Frank @$# (angenäherte Schreibweise, eigentlich kann man's nicht schreiben, wird wie Gaphod gesprochen) und aus Karik PA@ (angenähert, Pa'Gung gesprochen). Die Namen haben wir uns allerdings erst abends gegeben.

Distanz von der konventionellen "Realität": Franks Zimmer wird zum Mikrokosmos. Frank und ich stehen nebeneinander auf dem Teppich. Die Dinge auf dem Teppich erscheinen viel weiter unten zu sein. Der Raum erscheint größer, auch Petra und Helge sind weit entfernt. Frank und ich hingegen fühlen uns sehr verbunden und erleben alles recht ähnlich. In gewisser Weise wird alles um uns herum zur Kulisse. Wir kommen uns vor wie Schauspieler, die in einen Film "ge-blueboxed" werden. Mehr fällt mir im Moment nicht ein.

Integration in die Realität: Wir sitzen wieder mit Petra und Helge zusammen. Alles erscheint wesentlich wirklicher und intensiver als sonst (wenn man es in Worte fassen möchte). Frank betrachtet uns als einen Stamm von Kriegern, ich empfinde uns als eine Gruppe von Indianern, die um ein Lagerfeuer sitzen; es ist kein visuelles Bild, nur eine Beschreibung der Atmosphäre, die mir wahnsinnig dicht erscheint. Objektive Beschreibung: Es ist recht kühl, da beide Fenster halb geöffnet sind; auf dem Boden stehen in der Mitte einige brennende Teelichte, die Wände sind dunkelgrau gestrichen. In meinem atmosphärischen Bild sind wir zusammen nachts auf einem Hochplateau. Die Kälte ist trotz meines T-Shirts angenehm, fühlt sich nach Nebel an. Und wir sitzen ums Lagerfeuer und palavern. Wir schwatzen nicht, wir palavern. In erster Linie sind wir. Das Fühlen wird zur Hauptsache. Die Energie ist im Bauch, nicht im Kopf. Frank und ich fühlen uns wacher und klarer als je zuvor, wir fühlen uns wie erwacht. Das meiste dessen, was in uns vorgeht, können wir den anderen nicht beschreiben, und auch jetzt kann ich mir diese Gefühle nicht vergegenwärtigen, geschweige denn niederschreiben. Doch auch der Rest, für den es in unserer Sprache bereits Worte gibt, ist für mich im nachhinein beeindruckend genug.

Shroomind: Die Basis dessen, was wir zumindest während der zweiten Hälfte unseres Trips empfinden, ist etwas, das ich die general allrightness of all things nennen möchte. Alles ist gut. Es gibt nichts, weswegen man sich Sorgen machen müßte. Und: Alles ist egal. Das hört sich an wie "Das juckt mich nicht!" oder "Ist mir egal!", aber das ist nicht das gleiche. In diesem Alles ist egal schwingt keine Interessenlosigkeit mit. Alles ist interessant, und alles verdient Aufmerksamkeit. Alles ist egal, weil alles gut ist. Anmerkung: John C. Lilly, M.D. charakterisiert den Zustand der höchsten Erleuchtung als erhabene Gleichgültigkeit. Ich will mir nicht anmaßen, diesen Zustand erlebt zu haben, aber dies ist anscheinend die Richtung, in der wir uns bewegen.

Wir wünschen, daß alle Menschen immer so fühlen könnten. Man möchte dieses Gefühl teilen, auch mit den Eltern, denn sie verstehen nicht.

Die Gewißheit, daß wir diese Dimension wieder verlassen werden, macht uns etwas melancholisch. Trotzdem ist immer noch alles gut.

Doch es gibt weitere interessante Erkenntnisse, die mir auch nüchtern nicht wie Spinnereien erscheinen: In der Regel assoziiert man Drogen mit Sucht und Zwang. Ich muß jedoch feststellen, daß der Pilz zumindest bei mir eine genau entgegengesetzte Wirkung hat: Ich fühle mich von zahlreichen Zwängen befreit. Anders als beim Hasch verspüren wir keinen Drang, wahnsinnig viel zu essen. (In der ersten Phase essen wir einige Kekse, weil wir meinem, dem Körper Zucker zuführen zu müssen.) Unter dem Einfluß des Pilzes spüren wir: Der Körper braucht nichts. Es genügt uns, zu sein. Anmerkung: Besonders interessant erscheint mir dies im Hinblick auf das fünftägige Heilfasten, das ich vor zwei Wochen absolvierte. Damals mußte ich feststellen, wie groß der Zwang, etwas zu essen, ist, obwohl man keinen Hunger, meist noch nicht einmal Appetit hat.

Wir sind ganz auf den Augenblick konzentriert, unterhalten uns, soweit es für unser Empfinden Worte gibt und lassen uns von der Musik wärmen. Die unmittelbare Umgebung steht im Vordergrund. Es erscheint uns absurd, den Fernseher einzuschalten und geradezu schwachsinnig, eine niedere Droge wie Alkohol oder Haschisch zu uns zu nehmen. Am Abend, auf Franks Party(!) ist für mich ein Glas Wasser das köstlichste Getränk, und auch nach zwei weiteren Tagen verspüre ich kein Bedürfnis, Alkohol zu trinken. Anmerkung: Wenn wir wüßten, daß die Wirkung länger anhält, würden wir möglicherweise auch fernsehen. Wir sind so neugierig, daß wir am liebsten einen ganzen Tagesablauf unter dem Einfluß des Pilzes erleben wollen.

Wie bereits weiter oben erwähnt, erleben wir zahlreiche verschiedene Phasen. Diese sind vor allem durch ihre Atmosphären gekennzeichnet. Diese ändert sich bereits, wenn wir in unterschiedlichen Konstellationen auf dem Boden sitzen; erst recht, wenn jemand den Raum verläß oder jemand dazukommt. Dieses Phänomen ist sicherlich nicht allzu ungewöhnlich, wir nehmen es allerdings sehr viel deutlicher wahr.

Misc.:

Jens betritt den Raum. D.h. er kommt nicht einfach herein, wir spüren seine Präsenz. Frank meint sogar, der Raum verändert sich. Zu diesem Zeitpunkt spürt Frank eine Verbindung zu Jens, die er auf einen Magnetismus zwischen gewissen psychedelischen Drogen zurückführt.

Das Gefühl ist unbeschreiblich positiv. Ich meine, daß selbst ein Knastaufenthalt mich in diesem Zustand nicht auf einen schlechten Trip bringen könnte; Frank sagt, es würde ihm im Moment nichts ausmachen zu sterben.

Nachdem wir die Metamorphose hinter uns haben, ziehe ich irgendwann mein Grateful Dead T-Shirt an, dessen Motiv mir zunächst nicht ganz passend erscheint. Später erkenne ich jedoch, wie treffend Motiv (Der auf Rosen gebettete Totenschädel, der das Universum im Kopf trägt und eine einzelne Träne vergießt) und Name (die dankbaren Toten) eigentlich sind. Wer einmal so empfindet, kann wirklich nur dankbar sein, gelebt zu haben. Und er braucht keine Angst vor dem Tod zu haben. Als die eigentliche Wirkung langsam abklingt, haben Frank und ich das Gefühl, uns vor nichts fürchten zu müssen.

Als ich gegen Ende allein im Zimmer bin, stelle ich mich vor den Spiegel und schneide Grimassen. Ich erkenne mein eigenes Gesicht nicht wieder, komme mir teilweise vor wie ein Alien. Ich erschrecke jedoch nicht, sondern betrachte meinen jeweiligen Gesichtsausdruck mit Interesse. Ich wundere mich über diese Bandbreite, die nie zum Einsatz kommt.

Bei genauer Betrachtung gibt die Wirkungsweise der Droge möglicherweise Einblick in die Arbeit des Gehirns. Beispiel visuelle "Halluzinationen": Bei Betrachten des Bodens fallen Sprünge bzw Verwerfungen in der Struktur des Teppichs auf, die anzudeuten scheinen, daß die Datenübertragung zwischen Auge und Gehirn nicht mehr wie gewohnt läuft. Wenn man sich auf diese Struktur konzentriert, kann man die unterschiedlichsten Effekte erleben (Pulsieren, plastische Wellen, Würmer etc). Dies ist für mich die Bestätigung - das direkte Erleben - der erkenntnistheoretischen These, daß das Gehirn die Wirklichkeit durch die Sinnesorgane nicht objektiv wahrnimmt, sondern die Sinneseindrücke, nachdem sie gefiltert und bewertet wurden, als objektive Realität ausgibt.

Zu "Jens betritt den Raum": Das frappierende an dieser Erfahrung ist für mich zu erleben, wie all die Filter, die unser Bewußtsein in der Alltagsrealität einsetzt (ob wir sie brauchen, oder nicht), plötzlich wegfallen. Unsere Wahrnehmung ist zum "Überleben" in unserer Umwelt so rationell gestaltet, daß es die meisten "unwichtigen" Eindrücke herausfiltert. Wir sehen eine Nase aus dem Augenwinkel, denken "Jens" und beschäftigen uns schon wieder mit etwas anderem. Unser Erlebnis zeigt uns jedoch, wie erfrischend es sein kann, sich einmal all diese Eindrücke in aller Ruhe ungefiltert vorzunehmen. Ich gehe davon aus, daß dieser Effekt bei höheren Dosen oder stärkeren Drogen (LSD/DMT) noch deutlicher werden wird.

Auch im intellektuellen Bereich gibt es keine Filter mehr, die einem irgendwelche Prioritäten vorgeben (was möglicherweise nicht nur Vorteile hat). In Gesprächen macht es Spaß abzuschweifen und den verschiedensten Ideen auf einem Teil ihres Weges zu folgen. Die Welt ist in gewisser Weise mit einem Fraktal vergleichbar, das nicht an Komplexität verliert, egal auf welcher Vergrößerungsstufe man sich befindet. Man ist nicht mehr in der Alltagsrealität, es gibt keine Notwendigkeit mehr, schnell Entschlüsse zu treffen, sich Meinungen zu bilden und diese anderen gegenüber zu verteidigen. Alles ist interessant. Alles verdient Aufmerksamkeit.

Ein sehr schwierig zu erfassender Punkt ist der Einfluß auf die soziale Interaktion: Ich denke, daß auch viele der in diesem Gebiet vorhandenen Konditionierungen gedämpft bzw. je nach Dosis auch kurzzeitig ausgeschaltet werden. (Nach Leary sollen ja bei hohen LSD-Dosen sogar die Prägungen "aufgeweicht" werden können!) Unter dem Einfluß der Pilze fühle ich mich natürlicher, ursprünglicher. Es gibt keine Rollen, die man spielen muß, keine Territorien, die zu verteidigen sind, es gibt keine Spiele mehr (zumindest tendenziell)!

Auch nach inzwischen vier Tagen hält eine positive Grundstimmung an, wahrscheinlich ein Hinweis auf die im Gehirn ausgeschütteten Neurotransmitter.


Spätere Ergänzungen:

Bemerkung Helge, nachdem er meine Aufzeichnungen gelesen hat: "Wenn man das so liest, hat man den Eindruck, daß die öffentliche Meinung in bezug auf Drogen nur auf mangelnder Information beruht!" - Kein Kommentar!

Die Erhabene Gleichgültigkeit (aus Simulationen von Gott, Lilly zitiert Franklin Merrel-Wolf:Pathways through to Space):

Es gibt eine solche Region der höchsten Autorität. Sie liegt über allem in der Erhabenen Gleichgültigkeit.

Ich fand in diesem Zustand keine Zufriedenheit in mir, und trotzdem hatte ich nicht das Gefühl, daß etwas verloren gegangen war. Dieses Stadium oder diese Qualität schlummerte unter mir, und ich hätte sie wecken können, wenn mir danach gewesen wäre. Das Wesentliche aber ist, daß man auf der Stufe der Erhabenen Gleichgültigkeit keinen Trost oder SELIGKEIT im Sinne eines Gefühls aktiver FREUDE oder GLÜCKS braucht. Müßte man SELIGKEIT, in Verbindung mit der Erhabenen Gleichgültigkeit gesehen, erklären, könnte man es korrekt nur in dem Sinne tun, daß es in ihr weder Schmerz noch Pein gibt. Aber relativ zu diesem Stadium ist selbst äußerste Freude Leid. Ich bin mir wohl bewußt, daß wir hier ein Bewußtsein vor uns haben, das aus dem Rahmen der üblichen Vorstellungskraft fällt. Ich jedenfalls konnte mir ein derartiges Stadium, das so über alle anderen herausragt, nie wirklich vorstellen. Innerhalb meiner alten Motivationsgrenzen gab es kein Verlangen danach, und auch im Menschen als solchem finde ich nichts, was diese Sehnsucht möglich machen würde. Doch jetzt fühle ich tief in meinem Inneren, daß ich auf einer bestimmten Stufe im Zentrum bin und auf alle Objekte menschlichen Trachtens und Strebens, die erlauchtesten nicht ausgenommen, herabschaue. Es ist ein eigenartiges, fast zauberbehaftetes, BEWUSSTSEIN, wenn man es von der Perspektive relativer Ebenen aus betrachtet. Es ist die eine Zustandsebene, die in sich geschlossen, vollständig oder, anders gesagt, adäquat ist. Welche Ebenen JENSEITS davon noch existieren, wieß ich nicht, aber ich weiß, dieser Zustand nimmt alle anderen in sich auf, auch die, von denen ich nichts bemerkt habe. Das Wort Gleichgültigkeit ist nicht ganz zufriedenstellend, aber ich kenne kein anderes, das passen könnte. In keiner Weise ist eine Gleichgültigkeit im negativen oder tamasischen Sinne gemeint. Diese ist eine dumpfe, passive, träge Seinsqualität. Die Erhabene Gleichgültigkeit meint eigentlich, bis zum äußersten erfüllt sein, was mehr ist als bloße INFINITÄT. Oder, um aus der Mathematik ein Bild zu entnehmen, es ist eine INFINITÄT höherer Ordnung, die die Existenz von Infinitäten niederer Ordnung einschließt.

In den geistigen Regionen ist das, was man für wahr hält, wirklich wahr, oder es wird, innerhalb bestimmter Grenzen, die durch Erfahrung und Experimente gefunden werden, wahr gemacht. Diese Grenzen sind weitere Glaubensansichten, die transzendiert werden müssen. In den geistigen Regionen gibt es keine Begrenzungen.

John C. Lilly