Fiktive Treffen


Epilog


Inhalt


einleitung

da nun die erinnerung in die vollendete vergangenheit abzustürzen droht, da die freaks-mails im papierstapel nach unten verschwinden, ehe sie von den kindern vermalt und zu fliegern verbaut worden sind, sollst auch du sprechen, wenn auch die karlsruher fraktion beharrlich schweigt.

du könntest die alten mails zu rate ziehen, du verzichtest aber darauf, denn du bildest dir ein, die reine erinnerung sei nicht nur schlauer, sondern sie gebe darüberhinaus einen einblick in die funktionsweise des gedächtnisses. denn was bleibt über die zeit? oft sind es eindrücke, die damals nicht so wichtig schienen, als das bewußtsein mit sich selbst beschäftigt war oder anderes für wichtiger befand.


die schnecke

in deinem brain vermischen sich die eindrücke. das schneckenhaus aus felsen vor dem großen eingang ist nicht nur der ort, in dem du und du und du euch einnisten, denn dort waren wir bereits zuvor.


die kathedrale

du, der du dich selbst als einen schamanen ausgibst, zauberst in rastloser tätigkeit eine wunderbare glut, während andere irrsinnig abgefahren gute stunden in der kathedrale verbringen um ein flackerndes feuer aus naßem holz, das durch den starken luftzug von unten brennt wie zunder. du sprichst, singst laut die worte:

"onga tonga ukka uk",

und du bist einverstanden. denn so sind fiktive Treffen arrangiert.


alltagswirklichkeit

als am tag danach ein felsbrocken von oben herunterfällt, und nur knapp deine beine verfehlt, geschieht zweierlei bedeutsamkeit zugleich. der schamane, der selbst fast abstürzt, ist der alltagswirklichkeit entrückt, während du beinahe ein opfer bist, du, der du in der nacht krampfhaft an deiner alltagswirklichkeit festgehalten hast. du bist schockiert. entrüstung auf der alltagsseite und auf "der anderen seite" die sorge um den unglücklichen verursacher, erregen die gemüter.

ihr trefft euch in der warmen morgensonne. der stein hat mitten in die herzen eingeschlagen. dies ist kein alltäglicher ort, hier würden viele weitere cyberliche zusammenkünfte stattfinden. "psychedelische erfahrung" ist nur ein anderes wort für "verlassen der alltagswirklichkeit".


die nacht

auffallend ist, nicht nur du bist wenigstens zweimal dabei gewesen. der ort ist solcher art, daß du wiederkommen mußt, um vielleicht nach und nach seine wirklichkeit einzufangen - oder die wirklichkeit, die dieses ereignis in dir auslöst.

du hast recht, besser wir richten uns nach dem mond.

die nacht gehört uns. am tag verweilen wir an der quelle. vor der dämmerung sammeln wir das holz, um dann den adlerplace aufzusuchen. nachts glitzern unzählige sterne am himmel, kerzen erleuchten die kathedrale. wir streifen durch den dunklen ort, sitzen, reden, schweigen, essen, rauchen, trippen, wärmen uns an feuern.

und der morgen wird überirdisch sein.


die andere feuerstelle

in einem felsengewölbe sitzt du zwei tage lang am feuer und denkst nach in denkerpose. du, der ernstes sinnen verworfen hat, du, der du dem treffen durch deine ausrufe den namen gegeben hast. wir trinken kaffee, essen und wärmen uns am feuer, um wieder und wieder im dunklen wald zu verschwinden. tagsüber schlafen wir dann.

ha! lacht freaks, lacht!

du, ein fastender und alles in unendlicher gleichmut hinnehmender, ganz und gar selbstbestimmter mensch schläfst hier in der nacht, wiewohl du meistens bei der anderen stelle verweiltst. Und du, ja du, scheinst überall gewesen zu sein. in der zweiten nacht sieht man hin und wieder auch dich, während wir nach durchlebten nächten endlich selig dem schlaf anheimfallen, drehst du erst richtig auf. Und du, ja du, bist hier und dort. auch du, ja du, kommst hin und wieder.

wisse, die freaks sind anders. jeder einzelne ist anders.


zum zweiten

es stimmt, am dritten morgen sitzen wir einträchtig, ganz "wald" geworden, an virtuellen lagerfeuern, trinken den geilen kaffee aus quellwasser und warten auf die wärme der sonne.

wisse, auch ohne den berühmten hofmannstropfen gibt dieser ort einiges her: heiliges dasein. da ist keine ablenkung als feuer, quelle, kathedrale und adlerplace.

mögest immer du die lichter in der kathedrale aufstellen!


hundstage

eines morgens nach durchlebter nacht sitzt du auf der bank am waldesrand mit blick auf die hügellandschaft. es sind die hundstage. die hitze ist kaum auszuhalten. die kaltes wasser sprudelnde quelle wird zur überirdischen köstlichkeit. die nächte dann sind warm und hell. fast sehnst du sie herbei.

schwer zu sagen, wie die stimmung ist, merkwürdig und gut. jedes treffen ist anders, doch scheint die wiederholung ganz allgemein die gelassenheit zu steigern.


exkurs: virtuelle kommune

"mein gott, wo sind meine smileys? habe ich über das elektronische grinsen das echte vergessiges" und "man darf von den freaks nichts verlangen, doch jederzeit einiges erwarten."

stell dir vor, du bist ein-e freak, dier sich weigert ewig zu grinsen. bei jeder mail, die du sendest, weißt du, zehn freaks werden den text lesen, und drei lesen ihn bis zum schluß. niemand bis jemand wird antworten. bisweilen sind antworten erwünscht. die dinge ändern sich.

dereinst wird von "metamorphosen der freaks-cyberkommune" gesprochen werden. ha! haha! fürwahr, du wirst dich der sache annehmen. oft wünschtest du dir, jemand würde über die "kapelle der gefahren" referrieren, immer dann, wenn du den cosmic trigger nicht finden kannst.


der horrortrip

wir treffen uns vor der schnecke, nehmen miteinander verbindung auf, um dann, auf der höhe des trips, die kerzenerleuchtete kathedrale aufzusuchen. da sind ein, zwei andere alleine für sich.

verfolgen wir, was nun geschieht, aus anderem blickwinkel. ER hat bereits angedeutet, daß dieser ort IHM nicht geheuer sei. du hast die absicht, IHM die gelassenheit, hingabe, ja liebe für diesen ort zu zeigen.

dir wird gewahr, wie ER zunächst ungläubig, dann erschreckt auf den zahn zeigt. "das ist der höllenschlund! sehet den zahn satans!" du siehst deutlich, was in IHM vorgeht. metaprogramm greift in metaprogramm. ein horror bahnte sich an. nun zeige IHM deine wahre gelassenheit, ja, heilige andacht in dieser wunderbaren, kraft- da stillespendenden kathedrale.

"satanisten! die freaks sind ein satanistischer kult. wehe mir!" das entsetzen steigert sich ins übermenschliche, als ER auf dem felszahn blut, "reste einer rituellen tötung zu ehren des teufels", erblickt. "du täuscht dich", sagst du, doch ER glaubt dir nicht, denn du, ja du, bist als priester dieser vor nichts zurückschreckenden anbeter des bösen entlarvt. ER glaubt, ER sei als nächstes opfer bestimmt.

plötzlich reißt ER im umdrehen die arme hoch und rennt einen entsetzenslaut ausstoßend davon.

täusche dich nicht, freak, ER ist unter anderen umständen nicht so leicht aus der ruhe zu bringen. du glaubst sogar, ER zählt zu jenen starken naturen, die so leicht nicht "irrational" werden. erinnerst du dich an das "rationales versus magisches universum" thread? an diesem Ort gerätst du leicht ins magische universum.


G. F.
Last modified: Tue Jan 30 21:56:48 1996